Magazin / Reportagen 
Silke Günther

Digitale Medien im Grundschullehramt: Medienbildung nicht als separates Thema sehen

Wie sieht das neue Lehramtsstudium Grundschule aus und welche Rolle spielen darin Medienthemen?

Das Mediennetz Hamburg hat mit Dr. Silke Günther, die derzeit die Professur für Allgemeine Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik an der Universität Hamburg vertritt, über die aktuelle und zukünftige Ausbildung von Grundschullehrerinnen und -lehrern in Hamburg gesprochen. Haben sich angehende Lehrende mit dem Thema Medienbildung auseinanderzusetzen? Was ändert sich mit der Neuorganisation des Grundschullehramts?

Mediennetz Hamburg: Wie werde ich eigentlich Grundschullehrerin oder Grundschullehrer in Hamburg, wie sieht die Ausbildung aus?

Dr. Silke Günther: Derzeit gibt es kein spezielles Studium zum Grundschullehramt. Wenn man Lehrerin oder Lehrer in der Grundschule werden will, muss man sich derzeit für den Studiengang Lehramt für die Primar- und Sekundarstufe I entscheiden. Man kann also nicht spezifiziert studieren, kann dann aber später sein Referendariat an einer Grundschule absolvieren.

Mediennetz Hamburg: Ich könnte also z.B. Fächer wie Biologie und Physik studieren und Grundschullehrerrin oder -lehrer werden, obwohl diese Fächer nicht explizit in der Grundschule unterrichtet werden, muss dann aber auch Deutsch, Mathe und Englisch unterrichten?

Dr. Silke Günther: In der Grundschule in Hamburg ist man so etwas wie ein Universaltalent. So hast du im Studium Lernbereiche, die dich z.B. für die Grundschule qualifizieren sollen. Da könntest du dann, wenn du Biologie als Unterrichtsfach studierst, z.B. Sachunterricht als Lernbereich wählen.

Mediennetz Hamburg: Jetzt soll es ein spezielles Grundschullehramtsstudium geben. Wie würde das dann aussehen?

Dr. Silke Günther: Die Planung ist noch nicht ganz abgeschlossen. Es gibt noch eine Diskussion darum, ob in dem Studium dann Deutsch oder Mathe oder beides studiert werden muss.

Mediennetz Hamburg: Und welche Vorteile hat ein Grundschullehramts-Studium?

Dr. Silke Günther: Es ist auf jeden Fall spezifischer, insgesamt werden voraussichtlich drei Fächer studiert. Es ermöglicht, den Fokus ganz klar auf die Grundschule zu setzen. Das bietet auch Möglichkeiten, den Bereich Medienpädagogik etwas umfangreicher in so ein Lehramt zu integrieren.

Mediennetz Hamburg: Wie werden denn die Medienwelten von Grundschülerinnen und -schülern in dem Studium wahrgenommen und dementsprechend thematisch integriert?

Dr. Silke Günther: Verpflichtend ist da im Moment noch gar nichts. Leider. Ich denke, dass wir mit einem derzeit laufenden Forschungsprojekt, bei dem viele Grundschuldidaktikerinnen und -didaktiker seit ca. anderthalb Jahren dabei sind, dafür sorgen können, dass medienpädagogische Inhalte und fachdidaktische Inhalte gemeinsam gedacht werden. Ein richtig ausgereiftes Konzept ist es noch nicht, aber es entwickelt sich in die richtige Richtung.

Mediennetz Hamburg: Wenn ich derzeit auf Lehramt studiere, habe ich zumindest zu einem Drittel die Möglichkeit, dieses prioritäre Thema Neue Medien zu wählen und Seminare dazu zu besuchen. Hätte ich das denn im Grundschullehramt auch?  

Dr. Silke Günther: Wir hoffen das ganz stark. Die Module werden derzeit noch überarbeitet und es wird wahrscheinlich noch relativ viel Diskussion in dem Bereich geben. Da tauchen Fragen auf, wie: Was gibt es für prioritäre Themen? Welche Rolle spielt die Inklusion, die gerade für die Grundschule ein wichtiger Bereich ist? Es gibt einfach noch keine Festlegung.

Mediennetz Hamburg: Müsste es, wenn das Thema Medien eine Rolle spielt, nicht auch mehr praktische Einheiten geben, in denen das Lernen mit und über Medien ausprobiert werden kann?

Dr. Silke Günther: Im Moment gibt es ein vierwöchiges Schulpraktikum im Bachelor-Studium für das Lehramt für die Primar- und Sekundarstufe I. Das erscheint mir für ein dreijähriges Lehramtsstudium nicht viel. Ich würde mehr verankern.

Mediennetz Hamburg: Wenn man sich das KMK-Papier anguckt, soll die Umsetzung von Medienbildung in der Schule nun sehr schnell gehen. Im nächsten Schuljahr soll es auch für die Grundschulen beginnen, dass hier verbindlich Medienbildung im Unterricht vorkommt. Wie kann das gehen?

Dr. Silke Günther: Ganz so schnell wird es wohl nicht gehen. Vielleicht klappt es zunächst über Modell- oder Projektschulen, die für andere Schulen Beispiele geben und Inhalte erproben können. Die dazukommenden Schulen könnten sich dann mit den Projekten verbinden und einklinken. Bis es in allen Hamburger Grundschulen angekommen ist, wird es noch ein weiter Weg sein. Ich denke es kann sogar noch 1-2 Studierendengenerationen dauern.

Mediennetz Hamburg: Was sollten denn Grundschullehrerinnen und -lehrer in Bezug auf den Umgang mit und das Lernen über Medien können?

Dr. Silke Günther: Ich denke zum einen sollten sie praktische Erfahrungen sammeln. Zudem sollten sie erkennen, dass die Grundfertigkeiten, die in der Grundschule vermittelt werden, also z.B. Lesen, Schreiben und Mathematik, von digitalen Medien profitieren können. Es ist nicht als Gefahr zu sehen, sondern als Möglichkeit, Dinge im Unterricht zu verbessern und vielleicht auch Dinge aufeinander zu beziehen und nicht Medienbildung als separates Thema zu sehen. 

Mediennetz Hamburg: Sollte es neben einem Grundwortschatz auch einen Grundmedienschatz geben, an dem sich Schule orientieren kann?

Dr. Silke Günther: Es sollte vielleicht einen flexiblen Grundmedienschatz geben, nicht identisch für alle Grundschulen, aber es sollte einen Pool geben, aus dem eine Grundschule schöpfen und sich damit einen solchen Schatz selber zusammenstellen kann. 

Mediennetz Hamburg: Sie haben einen Wunsch frei: Was sollte hinsichtlich der Medienkompetenzförderung in der Grundschule passieren?

Dr. Silke Günther: Es sollte in der Ausbildung zwischen den Fachdidaktiken, den Fachwissenschaften und der Erziehungswissenschaft eine ganze Reihe von Zusammenarbeit geben. Es würde das Thema Medienbildung sehr voranbringen, wenn es nicht immer als separater Bereich gesehen werden würde.

Mediennetz Hamburg: Und was braucht es dafür?

Dr. Silke Günther: Menschen, die offen sind. Menschen, die Lust haben, aufeinander zuzugehen und zusammen zu arbeiten. Es braucht zudem Zeit und Freiheit für ein solches Thema.

Eine weitere Diskussion zur Umsetzung von Medienkompetenzförderung in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern wird im Rahmen der Veranstaltung angedockt: Medienbildung Hamburg am 29. Juni 2017 stattfinden. Ab 16 Uhr wird in der Stadtteilschule Alter Teichweg die Medienbildung in Hamburger Grundschulen thematisiert. Vor Ort anwesend sind:

  • Martin Brause, Chief Digital Officer, Behörde für Schule und Bildung
  • Prof. Dr. Rudolf Kammerl, Lehrstuhl für Medienpädagogik Erlangen-Nürnberg
  • Christina Rütten, Lehrerin Grundschule Alter Teichweg

Weitere Informationen zur Veranstaltung: 

Angedockt Nr. 2: Medienbildung in Hamburger Grundschulen

Angedockt: Medienbildung Hamburg

Das Mediennetz Hamburg bedankt sich bei Frau Dr. Silke Günther für das Interview. 

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