Mit Crowdfunding zum eigenen Film
Auch der Hamburger Nachwuchs aus der kreativen Branche nimmt auf Nordstarter die Herausforderung einer Crowdfunding-Kampagne an
Der 23-jährige Student Philipp Westerfeld und sein Kindheitsfreund Manuel Ostwald (20) haben große Pläne: im August und September 2014 wollen sie ihren ersten Langspielfilm drehen. Das Drehbuch zu "Calvin Fragmenti" liegt im Ganzen vor, aus den 120 Seiten soll ein ca. 100-minütiger Jugendthriller entstehen: Die Geschichte von Calvin, der seit dem Unfalltod seines besten Freundes Nico kein einziges Wort mehr spricht. "Die Grundidee zum Projekt ist schon 2010 entstanden, damals hatten wir einen gleichnamigen Kurzspielfilm gedreht, der auf Festivals erfolgreich gezeigt wurde - beim abgedreht in Hamburg aber auch auf internationalen Festivals. Die Geschichte haben wir in den letzten vier Monaten dann wieder aufgenommen und ausgebaut." Das ehrgeizige Duo plant mit einem mehrköpfigen Team in verschiedenen Orten Hamburgs und in Schleswig-Holstein zu drehen. 2010 hatten sie ihren Kurzfilm mit weniger als 300 Euro produziert, dieses Mal wird deutlich mehr Budget benötigt: 10.000 Euro. Auf der Crowdfunding-Plattform Nordstarter rufen sie daher bis zum 10. Juni 2014 Unterstützer auf, ihr Projekt unter www.nordstarter.org/calvinfragmenti mitzufinanzieren.Finanzierung durch die "Crowd"
Eine Crowdfunding-Kampagne auf Nordstarter besteht aus zwei Phasen. Die Startphase dauert 30 Tage, die Finanzierungsphase maximal 90. Entsprechend dem benötigten Budget wird die Finanzierung ab einer bestimmten Anzahl von Fans freigeschaltet. Nach dem "Alles-oder-Nichts-Prinzip" wird dem/der Projektinhaber/in das Geld nur ausgezahlt, wenn die Finanzierung innerhalb der Deadline erreicht wurde.
Seit Gründung der Hamburger Crowdfunding-Plattform Nordstarter im Oktober 2011 (damals Nordpool genannt) erreichten 91 Projekte ihr Finanzierungsziel. Die von der Hamburg Kreativ Gesellschaft (HKG) und Startnext betriebene Plattform konnte somit als Finanzierungsinstrument über 500.000 Euro für verschiedene lokale kreative Projekte sammeln.
Die Erfolgsgeschichten locken immer mehr Interessierte zu den monatlichen Crowdfunding-Club-Treffen. Bei den Veranstaltungen der Hamburg Kreativ Gesellschaft im Betahaus Hamburg können Ideenhaber/innen und Interessierte kostenlose Beratung erhalten. Fritz Dyckerhoff, Mitarbeiter der HKG und Leiter des Clubs, erläutert den Teilnehmern/innen dort anhand von Best-Practice-Beispielen die Erfolgsfaktoren einer Crowdfunding-Kampagne. "Dazu sei gesagt, dass es kein richtiges Erfolgsrezept gibt. Grundsätzlich hat natürlich jeder die Chance, erfolgreich Crowdfunding zu betreiben." Es hat sich jedoch in den letzten drei Jahren gezeigt, dass Projekte, die eine Crowd von Unterstützern mitbringen, erfolgreicher sind. Bei völlig unbekannten Ideen und Projekten ist es sehr aufwendig, persönliche Kontakte auf Dauer zu binden und Vertrauen aufzubauen, resümiert Fritz Dyckerhoff.
Die Spannbreite der Projekte auf der Nordstarter-Plattform ist groß, neben Spiel- oder Dokumentarfilmen findet man auch Musik oder Kunstmagazine. Jedes Projekt ist anders, die Zielgruppe über verschiedene Wege zu erreichen: was bei dem Einen funktioniert, ist für die Andere vielleicht nicht entscheidend. Im Durchschnitt geben Crowdfunder 5 bis 75 Euro aus. Die Budgets bei erfolgreichen Projekten liegen zwischen 2000 und 5000 Euro - nur selten höher teilt Fritz Dyckerhoff den Teilnehmern des Crowdfunding-Clubs der HKG mit.
Crowdfunding als Vollzeitjob
Außerdem bedeutet eine Crowdfunding-Kampagne viel Arbeit. Diese Erkenntnis teilt auch das Team des Animationsfilms Reverie. 2012 haben die drei Studierenden es geschafft, auf Nordstarter 184% der angestrebten Summe einzuwerben. Geklappt hat das nur mit dem nötigen Engagement: Wir haben uns vollständig auf diese Kampagne konzentriert, drei Monate lang. Man muss den Internetnutzern und - nutzerinnen zeigen, dass man zuverlässig ist. Massen-Mails reichen nicht aus, wir mussten die Leute persönlich ansprechen und fast jeden Tag aktiv sein. Valentin Gargarin, Shujun Wong und Robert Wincierz setzten damals auch auf einzigartige Dankeschöns - die Gegenleistung zur Geldausgabe - für die Unterstützer/innen: bei einer Mitfinanzierung von 50 Euro erhielten die Sponsoren/innen beispielsweise das eigene Gesicht als Cartoonfigur im Stil des Animationfilms auf einer signierten Postkarte.
Weitaus mehr als eine reine Finanzierung
Zurück zu Calvin Fragmenti: Philipp Westerfeld und Manuel Ostwald haben es mit der Unterstüzung von über 50 Fans in die zweite Crowdfunding-Phase geschafft. Es ist viel schwieriger, als wir es uns vorgestellt hatten, meint Philipp, wir konnten aber schon gut auf unser Projekt aufmerksam machen. Andere Künstler/innen - im Falle von Calvin Fragmenti sind es Schauspieler/innen oder Sounddesigner/innen - zeigen Interesse, Internetnutzer/innen kommentieren das Projekt und tragen zu der Entwicklung einer Idee bei. Auch wenn sie kein Geld ausgeben: Crowdfunding ist weitaus mehr als eine reine Finanzierung, deshalb lohnt es sich so!, meint Fritz Dyckerhoff. Es ist auch ein Marketingtool und ein Instrument der Öffentlichkeitsarbeit in einer Community." Nordstarter-Projekte sind auch auf der Startnext-Plattform sichtbar und können so von der Reichweite Deutschlands größter Crowdfunding-Seite profitieren.
Der Crowdfunding-Club der Hamburg Kreativ Gesellschaft findet jeden Monat statt, die Anmeldung erfolgt online: http://kreativgesellschaft.org
Mehr Infos über Valentin Gargarin, Shujun Wong und Robert Wincierz (Reverie) sind auf ihrer Webseite Fricklerhandwerk-Filmfabrik zu finden.
Das Mediennetz Hamburg hatte Philipp Westerfeld und das Reverie-Team anlässlich des Film Festivals up and coming 2013 (Hannover) bereits interviewt.
Tamara Wackernagel