"Wir wollten einen Animationsfilm machen, der unsere Grenzen sprengt"
Auf dem Weg zum Film: drei Hamburger haben zwei Jahre an ihrem Animationsfilm "Reverie" gearbeitet, der bereits auf 100 Festivals weltweit lief - und nun auch beim abgedreht gezeigt wird

Drei Nachwuchsfilmemacher, zwei Jahre und ein Film: "Reverie" ist der Animationsfilm von Robert Wincierz (26, studiert an der Leuphana Universität Lüneburg den Master Management), Valentin Gagarin (24, studiert Film an der Hochschule für bildende Künste Hamburg) und Shujun Wong (25, hat Kommunikationsdesgin studiert und arbeitet als Grafikerin). In dem Film geht es im einen Mann, der auf dem Weg zur Arbeit einen Selbstmord beobachtet - und dessen Leben sich daraufhin komplett ändert. Das Mediennetz Hamburg hat die drei Filmemacher auf dem Internationalen Film Festival up and coming in Hannover getroffen und mit ihnen über ihr filmisches Erweckungserlebnis, Crowdfunding und ihren Weg zum Film gesprochen.

Mediennetz Hamburg: Woher kennt ihr drei euch?

Shujun: Wir sind alle auf's Gymnasium Süderelbe gegangen und haben uns da kennen gelernt, waren zum Teil im selben Kunstleistungskurs.

War der Kunstleistungskurs eure Filmerweckung?

Valentin: Ja, für mich war das schon die Erweckung. Unsere Kunstlehrerin hat mich dazu angestachelt, einfach weiter zu machen mit den Dingen, für die ich mich interessiere. Und das hat letztlich dazu geführt, dass ich nun hier mit einem Film sitze. Eigentlich war es nicht vorgesehen, dass wir in der Schule Film machen. Aber wir haben uns dafür schon immer interessiert und das in der Freizeit gemacht.

Was für Projekte waren das in eurer Freizeit?

Valentin: Ich habe an einer Film-AG teilgenommen und da einen Film gemacht. Da war ich, weil ich eine Struktur brauchte, unter der ich einen Film produzieren konnte. Der Vorteil war, dass mich die Schulleitung und die Kunstlehrer darin unterstützt und bestärkt haben. Ich habe selber letzten Jahr an meiner alten Schule einen Medienunterricht gegeben im Rahmen von Kunstpraxiskursen - und da habe ich selber nochmal gemerkt, wie schwierig es ist, sowas im Schulrahmen unterzubringen. Was Schule machen kann für Leute, die sich für Film interessieren, ist, die Freiheit zu geben und die Mittel zur Verfügung zu stellen.

Könnt ihr euch noch an euren Filmerweckungsmoment erinnern?

Valentin: Das war schon lange in mir. Aber ich habe mich entschieden, ich mache das jetzt, als wir in der achten Klasse einen ganz schrabbeligen Film gedreht und den am Ende gezeigt haben – und die Leute haben gelacht. Da habe ich gedacht, ja, das mache ich nochmal.

Robert: Bei mir war das ähnlich. Ich bin ja auch in den Genuss dieser Kunstlehrerin gekommen und der große Vorteil war, dass sie einem den Freiraum gegeben hat. Und was ich dann auch toll fand: den Film, den ich dann gemacht habe, den konnte ich ganz leicht einem größeren Publikum vorstellen. Es ist mit einem echten Live-Publikum auch besser als das einfach zu veröffentlichen und zu gucken, wie viele Klicks hat der Film jetzt eigentlich. Das ist auch der Grund, warum wir überall auf jedes Festival fahren, um eben dabei zu sein.

Wie kam es jetzt zur Idee von "Reverie"?

Shujun: Wir hatten vorher zu dritt einen Animationsfilm gemacht, der drei Minuten lang war und nicht so aufwändig wie Reverie. Das wollten wir toppen und einen längeren Film und klassisch Zeichentrick machen. Wir waren zwei Jahre damit beschäftigt. Ein Jahr haben wir dann noch damit verbracht, Filmfestivals zu beschicken und eine DVD zu produzieren.

Valentin: Wir hatten die Vision, einen Animationsfilm zu machen, der unsere bisherigen Grenzen sprengt.

Wie habt ihr euren Film finanziert?

Shujun: Wir haben es zum Teil aus eigener Tasche bezahlt und durch Crowdfunding. Wir haben dafür ein Video gedreht, in dem wir uns und unser Projekt vorgestellt haben. 3500 Euro haben wir so durch Crowdfunding zusammen bekommen. Damit haben wir hauptsächlich unseren Komponisten bezahlt.

Bei wie vielen Festivals ist "Reverie" bisher gelaufen?

Valentin: Zwischen 80 und 100 Aufführungen weltweit sind es bestimmt. Wir haben aber aufgehört zu zählen... Wir versuchen aber immer, hinzufahren.

Warum sind Festivals so wichtig?

Robert: Die Zuschauer sehen, welche Köpfe hinter den Filmen stecken, was auch für den Film wichtig ist. Wenn die Zuschauer einen aufwändigen Zeichentrickfilm sehen und am Ende stehen drei Namen da, dann fragen die sich, wer ist das eigentlich, wer macht so etwas und warum? Und wenn die Macher dann persönlich da sind, kann man ja auch Fragen stellen.

Und warum ist es für euch als Filmemacher wichtig, bei Festivals dabei zu sein?

Robert: Das Feedback ist uns wichtig. Es kommen immer wieder Leute an und sagen uns was dazu, darüber freuen wir uns. Und wenn wir dann im Kino sitzen, ist es interessant zu beobachten, wie das Publikum reagiert.

Valentin: Erst in dem Moment, wo wir das direkte Feedback vom Zuschauer bekommen, können wir verstehen, was haben wir da überhaupt gemacht. Wir zeigen jetzt die zweite Schnittfassung, denn wir haben einfach gesehen, da ist in der Mitte eine Szene, da schlafen die Leute ein. Auf so einer Grundlage ändert man den Film auch.

Kommt ihr auf Festivals oft in Kontakt mit anderen Filmschaffenden?

Valentin: Bei Festival ist das einer der Hauptpunkte. Man schaut, was hat sich getan im letzten Jahr. Und andererseits trifft man dann auch die Leute um zu gucken, wie kann man weiter machen. Denn das ist ja im besten Fall die Aussicht, dass man mit seinem Film nicht stehen bleibt, sondern vielleicht das nächste Projekt holt. Und so entstehen da auch immer viele Partnerschaften und dauerhafte Kontakte.

"Reverie" läuft zur Eröffnung des abgedreht im Metropolis Kino am Mittwoch ab 19 Uhr.
Weitere Infos zu Reverie und zur DVD mit Bonusmaterial gibt es unter: www.fricklerhandwerk.de

(ANNA POSTELS)